Erste Zeugenvernehmungen

Der Untersuchungsausschuss Stammstrecke nimmt volle Fahrt auf: In den Sitzungen 4 und 5 der vergangenen Woche wurden die ersten sieben Zeugen vernommen.

Am Donnerstag, den 23.03., begann die Sitzung mit der Befragung eines Gutachters des Instituts Intraplan Consulting GmbH. Dieses Institut war maßgeblich an der Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU) beteiligt, die den Bundesrechnungshof (BRH) 2018 zu seiner Beurteilung bewogen hat, die zweite Stammstrecke hätte nicht durch den Bund gefördert werden dürfen. Auffällig war, dass innerhalb dieser NKU keine sogenannte Sensitivitätsprüfung durchgeführt wurde, die sich bei einem so knappen Ergebnis von 1,05 laut BRH aufgedrängt hätte. Der Gutachter verwies darauf, dass für die Durchführung einer solchen Prüfung kein Auftrag der Zuwendungsgeber, also Freistaat und Bund, vorlag.

Der zweite Zeuge am Donnerstag war ein Ministerialbeamter des StMB, der Leiter der Projektgruppe Baubegleitung 2. S-Bahn-Stammstrecke ist. Er hat gerade im vergangenen Jahr viele Vermerke erstellt, die sich mit der Kostenexplosion um das Doppelte und der Bauzeitverlängerung bis 2037 befassen. Aus der Vernehmung ergab sich deutlich der Eindruck, dass bei dem Projekt zweite Stammstrecke ein Aufsichtsproblem über die Arbeit der Deutschen Bahn herrschte: Obwohl eine Baubegleitung seitens des Staatsministeriums eingerichtet wurde, die die Projektleitung überwachen sollte, wurde diese ihren Pflichten nicht gerecht. Die Daten von der Deutschen Bahn wurden erst schleppend, dann unstrukturiert und unvollständig übermittelt. Anstatt hier entschlossen aufzutreten, um die benötigten Informationen zu erhalten und das Projekt ordentlich beaufsichtigen zu können hat die Staatskanzlei darauf bestanden die Bahn nicht weiter dazu zu drängen einen Sachstand abzugeben.

Am Freitag, den 24.03. wurden zwei weitere Vertreter der vom Staatsministerium eingesetzten Baubegleitung vernommen, deren Aussagen die Eindrücke des Vortages unterstützen. Das kontrollierende Gremium hatte weder die notwendigen Informationen, um sachgemäß arbeiten zu können, noch wurden echte Anstrengungen seitens der Staatskanzlei unternommen diesem Zustand ein Ende zu setzen. Außerdem wurde durch die Vernehmungen offenbart, dass die Baubegleitung des StMB die Kosten für den Bau der 2. Stammstrecke bereits Ende 2021 auf bis zu 8,5 Milliarden Euro geschätzt hat. Trotzdem wurde seitens der Bahn auf eine davon abweichende öffentliche Kommunikation gedrängt, die Teuerungsrate und Risikokosten nicht miteinbezieht. Somit wurde für die Kommunikation nach außen eine deutlich niedrigere Summe von unter sechs Milliarden Euro vorgeschlagen. Das Bauministerium ist dem Vorschlag insoweit gefolgt, als dass von offizieller Seite bis heute nur Kosten in Höhe von 7,2 Milliarden (also ohne Teuerungsrate) genannt wurden. Zuletzt stellte Dr. Ulrich Baumgärtner (Teil der Baubegleitung) fest, dass die Inbetriebnahme der 2. Stammstrecke mindestens bis 2037 dauert.

Weiterhin wurde am Freitag der Leiter des Eisenbahn-Bundesamtes in den Landtag geladen. Die Vernehmung war wenig ertragreich, vielmehr waren die Mitglieder des Untersuchungsausschusses erstaunt über die weitreichende Unkenntnis des Zeugen, so kannte dieser den Bericht des Bundesrechnungshofes beispielsweise nur vom „Hörensagen“. Frappierend, angesichts der Tatsache, dass diese Behörde für Planfeststellungsverfahren zuständig ist, alle Unterlagen zu prüfen hat und schließlich entscheiden muss, ob das Bauvorhaben zulässig ist.

Des Weiteren wurde ein Ministerialrat des Bundesrechnungshofes vernommen, der für die Prüfung der Nutzen-Kosten-Untersuchung des Projektes Stammstrecke 2018 verantwortlich war. Der Zeuge untermauerte erneut die Aussagen aus dem vorgelegten Bericht des BRH. Demnach gab es in der Nutzen-Kosten-Untersuchung 2016 klare Verstöße gegen das Verfahren der standardisierten Bewertung und die NKU 2016 stand somit nicht im Einklang mit dem Regelwerk. 

Verwandte Artikel