Zeugenvernehmungen gehen in die finalen Runden

Die Zeugenvernehmungen im Untersuchungsausschuss Stammstrecke, der die Kostensteigerungen und Verzögerungen der Inbetriebnahme beim Bau der 2. S-Bahn-Stammstrecke in München untersucht, gehen in die finale Runde.

In den letzten Wochen wurden mehrere Beamte des Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr (StMB) sowie der Staatskanzlei vernommen. Aus der Staatskanzlei wurde im Jahr 2020 die Maßgabe erteilt, Nachfragen gegenüber der Deutschen Bahn zum Projektstand sowie zur Einrichtung eines Spitzengespräches bis nach der Bundestagswahl dilatorisch, also verzögernd, zu behandeln. Der Grund hierfür geht aus einem weiteren Vermerk des StMB hervor, indem das Projekt als „kein Gewinnerthema im Wahlkampf“ beschrieben wird. Zu diesem Zeitpunkt stand noch eine mögliche Kanzlerkandidatur von Markus Söder im Raum. Die Einbindung von Staatsbeamten in solche parteipolitischen Manöver hat in einem Organ des Freistaats absolut nichts verloren. Anstatt also aktiv nachzufassen und gegenüber der Deutschen Bahn Druck zu erzeugen, um schnell Klarheit über die drohenden Kostensteigerungen zu erhalten, zog es die Staatsregierung vor über mehrere Jahre die Füße still zu halten.

Und das, obwohl Kenntnisse über die massiven Verspätungen und Kostenexplosionen regierungsintern bereits früh vorlagen: Die aus Expertinnen und Experten bestehende und vom Freistaat eigens zur Überprüfung des Baufortschritts eingesetzte Baubegleitung warnte das Verkehrsministerium in regelmäßigen Berichten seit dem Jahr 2019 vor den Komplikationen im Projektfortgang. Nichtsdestotrotz zog man es in der Staatskanzlei vor, weder die Öffentlichkeit noch den Landtag darüber zu informieren.

Man habe sich dafür entschieden die Abgeordneten lieber im Dunkeln zu lassen, als sie durch Wasserstandberichte unnötig zu „verwirren“. Diese anmaßende Aussage ist nicht nur eine Beleidigung gegenüber den Abgeordneten, sondern auch eine Missachtung der Kontrollfunktion des Parlaments. Aus den Befragungen wurde sogar klar, dass Anfragen der grünen Landtagsfraktion aus dem Jahr 2019 nachweislich falsch beantwortet wurden. Hier beharrte man trotz Ermittlungen der Baubegleitung, die bereits auf das Jahr 2034 als Inbetriebnahme Termin hinwiesen, auf eine Fertigstellung im Jahr 2028.

Als Gründe für die Verspätungen und Kostensteigerungen wurde seitens der Staatsregierung unter anderem gerne auf die mit der 2. Stammstrecke verknüpften Planungen eines Vorhaltebauwerks für eine neue U-Bahnlinie der Landeshauptstadt München hingewiesen. Aus der Vernehmung des MVG-Chefs Ingo Wortmann wurde klar, dass die Stadt massiv seitens des Freistaates unter Druck gesetzt wurde, einen Finanzierungsbeschluss für das Projekt vorzulegen, ohne dass bisher eine Förderzusage durch den Bund besteht. Das Vorhaltebauwerk am Hauptbahnhof war jedoch nie der kritische Pfad für die rechtzeitige Inbetriebnahme, sondern vielmehr die Röhre vom Marienhof zum Leuchtenbergring, für die bis heute keine Baugenehmigung vorliegt.

Das der Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU) unterstellte Betriebskonzept der 2. Stammstrecke, so wurde uns von einem leitenden Mitarbeiter des StMB bestätigt, war von vornherein nicht fahrbar. Aus diesem Grund wurden im Jahr 2019 die massiven Umplanungen und Projektausweitungen beschlossen. Warum sich an diese veränderte Kostenlage keine neue NKU anschloss, konnte uns bisher nicht beantwortet werden.

In der letzten Woche startete die Vernehmung der politischen Zeugen mit dem ehemaligen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. An ihn kommunizierte die damalige Staatsministerin für Verkehr, Kerstin Schreyer, im Jahr 2020 die absehbaren Inbetriebnahme Verzögerungen und Kostensteigerungen. Leider konnte sich Herr Scheuer dabei weder an das erfolgte Telefonat noch an die Warnungen der Ministerin in Briefform erinnern. Den Nachweis, dass beide Kommunikationen erfolgt sind, erbrachte jedoch im Anschluss sein Amtsnachfolger Volker Wissing, der die Dokumentation des Telefon- und Briefeingangs im Ministerium durch Aktenvermerke nachvollziehen konnte.

Die Befragungen der bayerischen Verkehrsminister, sowie des Ministerpräsidenten Söder werden in den kommenden Wochen erfolgen und die Zeugenvernehmungen damit abschließen.

Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass der Untersuchungsausschuss richtig und wichtig war und dass die Öffentlichkeit bewusst im Unklaren gelassen wurde.

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